Beitrag von David Peter Weber,Sohn von Francis Peter Kelly,ehem. Provinzial des Jesuitenordens von Australien
Hallo Zusammen,
Ich fühle mich
geradezu verpflichtet,nun auf diesem Wege mal an alle Besucher der Site,aber
eigentlich an alle Priesterkinder zu appelieren,endlich aufzuwachen,wie jede
andere Gruppe in der Gesellschaft für ihre Rechte zu kämpfen,und die bis in die
eigene Wortwahl gehende "Idendifikation mit dem Agressor" zu beenden.Viele
Berichte und Untersuchungen zeigen,dass ein erfolgreicher Prozess der
Emanzipation von lange entrechteten Gruppen (z.B. Schwarzen in den USA) damit
begann, dass sie ihren Kampf nicht immer in dem vom "Entrechter" vorgebenen
Rahmen und dessen Sprachtermini begriffen und beschrieben,sondern anfingen eine
eigene Sprache zu finden.
Und so gut ich es finde,dass es diese Site
überhaupt gibt(Mein Dank,Veronika),so unglaublich scheint mir die in einigen
Beiträgen verwendete Sprache und eigentlich der ganze Ansatz von Vielen.Da ist
von "Sacrilegi" die Rede,wird darüber diskutiert wessen "Schuld" die eigene
Existenz sei,irgendwelchen Leuten wird erlaubt das Wort "Bastard" zu
gebrauchen(das es ansonsten seit dem Mittelalter nicht mehr gibt).Wie ist es
möglich,dass sich viele von euch(oder uns),so mit der ihnen von der Kirche,(aber
natürlich auch Teilen der Gesellschaft)aufgredrückten Rolle identifizieren ?Das
ist unfassbar, und macht mich unglaublich traurig.
Ich kann auch nicht
verstehen,dass Claudia(wie sie in Ihrem Hauptbeitrag schreibt)es schlimm
fand,dass sich zuerst kein Pfarrer fand,der bereit gewesen wäre sie zu taufen.
Warum in Gottes Namen möchtest du zu einer verbrecherischen Organisation
gehören,die selbst erdachte,willkürliche Regeln über geltende Gesetze stellt,und
dich und so viele Priesterkinder damit versucht hat auszugrenzen und zu quälen.
Die kath.Kirche und ihre Unter-Organisationen erheben selbst-erdachte
Regularien(nicht nur das Zölibat) die es eigentlich gar nicht gibt,und die nur
deshalb bestehen können,weil andere sich daruf beziehen,über geltende Gesetze
der Staaten(in der Bundesrepublik z.B. gibt es seit den Reformen von 1995 nicht
mal mehr den Begriff "unehelich" ,gechweige denn Begriffe wie "Kindsvater") und
setzt Menschen,die sich gegen diese Regelungen wehren,mit kriminellen Methoden
unter Druck(Ich denke hier z.B. an die "Schweigeerklärungen",die Müttern zur
Unterschrift vorgelegt werden,die von der Kirche ja nicht mal den rechtlich
geschuldeten Unterhalt,sondern irgendein Almosen erhalten sollen.) Dieser
Sachverhalt ist genauso skandalös,wie eindeutig.Es ist absolut klar wer der
Täter ist.Und doch ist es offensichtlich das grösste Problem,das mal einfach
genau zu bennennen.
Die Gesellschaft als Ganze traut sich das natürlich oft
nicht,weil die Kirche sehr mächtig ist,und ihre Repräsentnten in Medien,Politik
etc.in vielen einflussreichen Gremien sitzen(Und in Deutschland ausserdem immer
noch das Konkordat gilt).Das ist schlimm genug.Aber das heist doch nicht,dass
wir Priesterkinder selber, in Foren wie diesen, immer in uns selber
"hineinproblematisieren" müssen,und selber immer halb so tun,als sei die eigene
Existenz mysteriös,seltsam und dann doch wieder irgendwie mit Schuld beladen.
Menschliches Leben ist immer zu 100% positiv.Daher ist auch die Beziehung die
dazu geführt hat 100% positiv.Alles andere ist dumme Verdrehung. Es ist
unbedingt nötig,dass dies jeder erkennt.
Also lasst euch doch bitte nicht
mehr einreden,dass etwas an euch "schwierig" sei.Wenn Priesterkinder z.B.
tatsächlich manchmal grössere gesundheitliche Probleme haben als andere,dann
ganz bestimmt nur in dem Mass,wie der äussere Druck unter dem sie und ihre
Mütter(für den Vater halten sich die tatsächlich erlebten Unannehmlichkeiten ja
meistens in Grenzen) leben mussten,und die sozialen und auch finanziellen Lagen
in die sie gebracht wurden,auch grösser war.
Helft also doch bitte
lieber mit, den wirklichen Vorgang :Das Vorenthalten des Rechtes auf die eigene
Familie,und den Unterhaltsbetrug der in vielen Fällen stattgefunden hat und der
später beim Erbe fortgesetzt wird,klar zu benennen und auch rechtlich für eine
Entschädigung dafür zu kämpfen.
(Ich selber hatte als ich in den
Niederlanden wohnte schon einmal begonnen, eine entsprechende
Interessengemeinschaft zu organisieren,und würde diese gerne wieder aufleben
lassen).
Das war jetzt schon sehr lang,deshalb verzichte ich
heute erstmal darauf mehr über meine eigene Biographie,und den Kampf meiner
Mutter und mir gegen den Jesuitenorden zu schreiben. Inzwischen hat es mich,in
gewisser Hinsicht auch noch aufgrund dieses Kampfes,nach Hamburg verschlagen.
Und da ich hier nun bei den anstehenden Bürgerschaftswahlen ein (diesmal
ziemlich aussichtsloser) Kandidat bin,schicke ich noch den untenstehenden Link
mit.Er enthält meinen Vorstellungstext für den Wahlkampf,in dem ich auch kurz
erwähne,dass mein Vater katholischer Priester war.Ich tue das a) um zu
zeigen,dass es immer besser ist,die eigene Biographie klar darzustellen,und
b)möchte ich einige von euch damit ermutigen mal darüber nachzudenken,ob
Priesterkinder es bei allem Leid nicht vielleicht auch als Chance begreifen
können,dass sie mehr Schweres erlebt,und die Gesellschaft anders kennegelernt
haben als Andere.Zusammen mit einer,eben aufgrund eines Vaters der Priester war,
möglicherweise erblich gegebenen Tendenz dazu altruistisch und für Andere
handlen zu wollen,könnten wir der Gesellschaft dann nämlich Einiges geben.
Ich bitte zum Schluss noch zu entschuldigen,dass mein Text in der ersten
Abschnitten vor allem vorwurfsvoll klang.Ist nicht böse gemeint,ich empfinde das
Gesagte nur eben sehr stark.
Freundliche Grüsse
David Weber